Touchpoint Personalities: Warum klassische Personas nicht (mehr) für personalisierte Erfahrungen ausreichen

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Als ich vor ein paar Jahren in Ferien auf Cuba war, hatte ich ein interessantes Gespräch mit dem Barmann meiner Lieblingsbar am Strand. Er fragte mich, wo ich herkomme und was ich mache. Als ich ihm erklärte was ich als „CX-Berater“ mache – nämlich Firmen helfen ihre Kunden zu verstehen und besser zu bedienen – sagte er: „Ach, genau das Gleiche wie ich!“. Ich musste zwar lachen, aber eigentlich hatte er ja Recht. Wenn er mich ankommen sah, stellte er mir schon gleich meinen Lieblingsdrink hin, und er hatte ein perfektes Gespür dafür, ob ich grade Lust auf eine Unterhaltung hatte, oder jetzt mal lieber vor mich hin sinnierte, während ich ins endlose Meer schaute.

Personalisierung der Customer Journey, des Touchpoints und des Verhältnisses mit dem Kunden ist etwas, das völlig natürlich ist. Jeder Bäcker und jeder Berater wissen, dass man auf die individuellen Bedürfnisse und den Kontext der Kunden eingehen muss – sonst ist das Geschäft bald zu ende.

In der Praxis tun grade größere Firmen, mit ihren größeren Budgets, sich aber ungleich schwer damit. Seit einige Jahrzenten hören wir inzwischen davon – ob unter der Flagge von CRM, oder Customer Experience (CX), oder Customer Centricity (CC) oder… na ja, sie verstehen was ich meine – dass jetzt die Personalisierung endlich da ist. Was uns dabei konkret vorgelegt wird ist aber meistens lediglich ein sehr dürftiger Abklatsch von Personalisierung.

Grenzen der Personalisierung

Ist es Personalisierung, wenn ich auf Facebook einmal, eher aus Langeweile statt tiefem Interesse, auf die Anzeige einer Firma die Treppenrenovierung anbietet klicke, und danach (leider ohne Übertreibung) wochenlang jeder vierte Facebook-Post eine Anzeige ist, von zahlreichen Firmen, die verschiedene Arten von Renovierung anbieten? Oder ist das ein völlig vergurkter Algorithmus, der nichts mit Personalisierung zu tun hat, sondern nur platten kommerziellen Overkill darstellt? Ist es Personalisierung, wenn Amazon mir, nachdem ich mir nach vielem hin und her eine Leiter ausgesucht habe, wobei ich versuchen musste die Fake-Reviews von den echten zu unterscheiden, sie endlich in den Warenkorb getan habe, DANN plötzlich zeigt welche Leitern sich andere Leute auch angeschaut haben? Ist das ein Dienst am Kunden? Wohl eher nicht, da es zu Verwirrung und Irritation führt. Oder ist es eigentlich ein Ausdruck davon, dass Amazon inzwischen fast mehr mit Werbung verdient als mit Verkäufen?

Ist es Personalisierung, wenn die Frau meines Mitgründers sich bei der Lieferung ihres Audis in den Wagen setzt, und der Verkäufer sich neben sie setzt und süffisant, das Wort Frollein grad noch unterdrückend, sagt:

So, wollen wir uns dann mal die ganzen Knöpfchen anschauen?

Und dass, nachdem er sich beim Kauf des Autos grundsätzlich nur an ihren Mann gewendet hat, und nicht an sie? Es ist wohl eher ein Verkäufer, der in veralteten Stereotypen festhängt oder sogar in gewissen Personas denkt, aber nicht sieht, mit wem er es hier praktisch (statt rein theoretisch) zu tun hat.

Sie sehen, ich kann mich ganz gut darüber aufregen, welches Schindluder unter der Flagge Personalisierung getrieben wird, während wir so viel besser sein könnten. Aber vielleicht die größte Beschwerde, die ich habe, und das größte Hindernis, das ich sehe, ist die Dominanz der Personas.

Personas sind keine Antwort für alles

Wir kennen alle Personas. Eine nützliche Methodik, um sich im breitesten Sinne damit zu beschäftigen, wie denn ein Zielpublikum aussehen könnte. Sie kennen die Beispiele alle zu Genüge:

Unsere Persona A ist Klara Kultur. Sie ist 28 Jahre alt, arbeitet in einer Agentur, und fährt mit ihrem kleinen Scotch Terrier Hansi im Korb auf dem Fahrrad zur Arbeit. In den Wochenenden geht sie zu klassischen Konzerten, und trinkt gerne leicht alkoholische Getränke im Freien“.

Das ist wunderbar, wenn wir eine Anzeige schalten wollen – vermutlich sollte diese auf den Billboards entlang der Fahrradstrecke sichtbar sein. Es bringt uns aber überhaupt nichts, wenn wir die Customer Experience für unsere Kunden anpassen wollen – es gibt Klara Kultur schließlich nicht! Es gibt auch nicht eine größere Gruppe, die genau die gleichen Bedürfnisse hat wie Klara Kultur – entlang der ganzen Customer Journey. Klara ist ein rein theoretisches Konstrukt.

Wie können wir aus dieser theoretischen Situation heraus in die reale Welt kommen?

Herzlich willkommen: Touchpoint Personality!

Indem wir nicht mehr von Personas sprechen, und auch die wilden Algorithmen erst mal parken, und uns auf Touchpoint Personalities konzentrieren. Wir müssen versuchen zu verstehen was einen Menschen bewegt, was für sie oder ihn wichtig ist – jetzt, heute, an diesem Touchpoint und in diesem Kontext.

Futurelab hat das vor einigen Jahren für Volkswagen in Polen ausgearbeitet, für den Touchpoint Probefahrt bzw. Autohausbesuch. Wir wissen aus unseren vielen Jahren im Automotive-Bereich, dass es eine ganze Menge Kunden gibt, die lieber zum Zahnarzt als ins Autohaus gehen – eine ideale Ausgangsposition, um eine Verbesserung der Customer Experience anzustreben.

Nach vielen Gesprächen mit Autohaus Besitzern und Verkäufern haben wir festgestellt, dass es ihnen schwer viel, Persönlichkeit und Vorlieben der Kundschaft zu identifizieren. Ganz praktisch – auch die besten der Verkäufer, die sehr genau wussten, wie man ein gutes Gespräch führt, hatten mindestens einmal in der Woche die Erfahrung, ganz danebenzuliegen, den falschen Ton getroffen zu haben und so potenzielle Kunden zu verlieren.

Wenn wir vorher wüssten, was für eine Persönlichkeit wir uns gegenüber haben, können wir sicherstellen die wirklich nach ihren Bedürfnissen behandeln zu können“.

Kunden haben verschiedene Bedürfnisse – die Methode

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Also haben wir uns daran gemacht eine Methode zu entwickeln. In erster Instanz haben wir uns überlegt, welche Kriterien für einzelne Personen relevant sein könnten, um ihre Entscheidungen im Autohaus zu beeinflussen. Ich sollte erwähnen, dass dies am Ende eines größeren Projektes war, indem wir Customer Journey und Jobs-to-be-Done formulierten, wodurch wir schon einiges an Informationen zur Hand hatten. Die ca. 100 möglichen Kriterien haben wir dann über sowohl qualitative als auch quantitative Befragungen auf sechs Kriterien reduzieren können – die wir mit drei Fragen identifizieren konnten. Über diese drei Fragen ist feststellbar, welcher der sechs Touchpoint Personalities ein Kunde entspricht, um dieser Person an diesem Touchpoint durch die richtige Ansprache die passende Erfahrung bieten zu können.

Zum Beispiel: eine der Personas ist der Autoverliebte, dem man einen Verkäufer gegenüberstellt, der genauso emotional über das Tunen seines Golf GTIs sprechen kann wie der Kunde. Oder man stellt eben relevante Inhalte zur Verfügung, wenn es um die Vereinbarung der Probefahrt geht. Eine andere Touchpoint Personality, die wir identifiziert haben, ist z. B. die Geschäftsfrau, die nicht emotional, sondern rein praktisch an die Sache rangeht, und sagt „Gib mir einen Wagen mit allen Extras, gib mir meine 6% Diskonto, und lass mich unterschreiben – mehr als 5 Minuten sollte das Ganze nicht dauern.“. Dieser Kundin stellt man einen anderen Verkäufer gegenüber und bietet einen ganz anderen Prozess.

Die Verkäufer waren begeistert, weil sie mehr Autos verkauften – weil Kunden besser bedient wurden und dadurch die Konversion eindeutig stieg.

Die qualifizierenden Fragen konnten einfach gestellt werden – über Touchscreens im Autohaus, über eine Fünf-Sekunden-Befragung auf der Webseite – wir haben es sogar getestet, in dem wir Agenten die Fragen stellen ließen im Terminbestätigungsgespräch. Natürlich war nicht jeder Kunde bereit die Fragen zu beantworten (wobei dieser Fakt an sich uns schon etwas über den Charakter dieser Person erzählt).

Wir gehen nicht davon aus, dass diese Person immer und überall die gleichen Kriterien anlegt. Wenn es darum geht, Versicherungen an die gleiche Kundschaft zu verkaufen, wird jede der oben genannten Personen andere Kriterien je nach Kontext haben. Wir müssen das also jedes Mal neu beurteilen. Zugleich ist es aber wichtig, alle Information, die wir zu den Kunden haben, jede Frage, die sie uns beantworten, jede Beobachtung, die wir machen, trägt zu den „Persistenten Profilen“ bei (wie wir das nennen) – dem immer weiter vertieften Verständnis für die individuellen Kundenbedürfnissen.

Dieses Prinzip haben wir noch weiter umgesetzt im Demo eines Voicebots was ich während meines Vortrags, aber auch an unserem Stand demonstrieren werde.

Die Reise beginnt JETZT

Worauf warten Sie? Die Integration weiterer Kundendaten steht mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso auf Ihrer Roadmap.. Warum das Ganze nicht vom Kunden her denken – zumindest einmal für „high-tech“ (fähige) und „high-touch“ (anspruchsvolle) Kunden?

Grundsätzlich können wir auf diese Art Kunden ein persönliches Erlebnis bieten, mit einem Fokus auf Konversion entlang der Customer Journey. Es geht nicht darum neue, geniale Touchpoint-Interaktionen zu entwickeln (auch gut natürlich 😊) sondern eine Methodik einzusetzen, die uns hilft die Bedürfnisse, die Persönlichkeit und den Kontext der Kunden mit Inhalt und Angebot abzugleichen.

Und manchmal ist es wirklich so einfach wie die Frage: „Haben sie es eilig, oder ist es ihnen wichtiger, dass Ihre Beschwerde gründlich angegangen wird?“. Mithilfe der 50/50-Antworten der Anrufenden konnten wir in diesem Automotive-Contactcenter sowohl die Kundenzufriedenheit substanziell erhöhen als auch die durchschnittliche Bearbeitungszeit reduzieren.

Datenschutz ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Anliegen, das betrachtet und berücksichtigt gehört. Was zunächst wie eine Herausforderung aussieht, stellt sich in unserer Erfahrung als lösbar dar. Demnächst organisieren wir dazu eine Diskussion mit Datenschützern die ihnen dazu viel mehr Einsicht bringen wird. Personalisierung & Datenschutz – Empfehlungen und Fallbeispiele ++ BoXenstopp Expertenrunde #21 – infinit.cx – The Customer Experience Powerhouse

 Wir sehen Sie gerne auf der Succeet!